Fluchttunnel Glienicke


Der Becker-Tunnel



Am 24. Januar 1962 gelang es 28 Menschen von Glienicke nach West-Berlin durch einen Tunnel zu flüchten.
Dieser Tunnel wurde innerhalb einer Woche von Günter Becker und seinem Zwillingsbruder gegraben.
Sie standen unter Druck: die Beckers hätten am 1. Februar 1962 zwangsumsiedeln müssen.
Das Haus an der Grenze zu West-Berlin sollte geräumt werden.

Es war Günter Beckers Idee, einen Tunnel nach West-Berlin zu graben.
„Meine Schwestern sagten nach dem Mauerbau immer, wir müssten sofort rüber. Ich hingegen scherzte, dass ich das nicht brauche. Ich könne mir jederzeit einen Tunnel graben“, sagt Günter Becker heute.

Sein Zwillingsbruder Bruno war es, der im Keller des Hauses in der Oranienburger Chaussee 13 zu graben begann.
Die ältere Schwester Gerda saß derweil am Küchenfenster und warnte die beiden vor den Grenzern, die in Abständen direkt am Haus entlang patroullierten.
„Die Grenzer trafen sich ja nachts mit ihren Freundinnen in unserem Garten, so dicht dran stand unser Haus“, erinnert sich Günter Becker.
Drei Tage kämpften die Brüder gegen die Kellermauer an, dann hatten sie nur noch märkischen Sand vor sich.

Am 22. Januar 1962 kam Frau Thomas aus der Nachbarschaft vorbei.
Die über 70-Jährige wollte mit rüber. „Sie war aber zu korpulent, passte nicht durch“, erinnert sich Becker.

1,20 Meter hoch war der Gang, nur 60 Zentimeter breit. Er hatte eine Länge von 30 Metern.

Das Ehepaar Thomas musste zurückbleiben, grub sich aber im Mai 1962 einige Meter weiter selbst in die Freiheit.
Das war dann der dritte Glienicker Flucht-Tunnel, der Thomas- oder Rentner-Tunnel.

Nach sechs Tagen Grabungsarbeit – Günter hat sich bei seiner Dienststelle bei den Wasserwerken in Birkenwerder krank gemeldet, Bruno bei seinem Elektrobetrieb in Glienicke – war der Durchbruch geschafft.
Kurz vor Mitternacht sollte es losgehen.

Die fünf Geschwister und auch die Mutter Klara, 54 Jahre alt, wollten mit.

Als Bruno und Günter aus dem Tunnel noch mal nach oben kamen, sagte Klara, dass im Wohnzimmer plötzlich 14 fremde Leute stehen würden.
„Wir hatten keine Zeit mehr zu fragen, wo sie herkamen. Auf der West-Seite zogen die Polizisten einen nach dem anderen aus dem Tunnel. ,Kommt hier das ganze Dorf, oder was?‘ wunderte sich der Polizist damals“, so Becker.
Er hatte bis heute nie wieder Kontakt mit den Fremden, die sich sofort in alle Winde zerstreuten.

Die Beckers gingen nach einer Woche im Auffanglager Marienfelde nach Dortmund, weil dort schon ein Bruder war.

Günter Beckers heutige Frau Doris wollte im Januar 1962 gar nicht mit. Günter kannte sie damals zwar seit drei Jahren, richtig miteinander gegangen sind sie aber noch nicht. „Meiner Mutter, die am 23. Januar Geburtstag hat, hatte ich versprochen, nicht mitzugehen. Ich bin dann am 24. gucken gegangen, ob sie schon weg sind“, erzählt die heute 68-Jährige. „Sie waren aber noch da. Da bin ich dann eben mit.“

Drei Stunden später entdeckt die Stasi den Tunnel, denn er wurde verraten. Berichte über diese Tunnelflucht gehen um die ganze Welt.

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Foto: Bruno Becker

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Noch im gleichen Jahr entsteht unter der Regie von Robert Siodmark mit den Schauspielern Don Murray, Christine Kaufmann, Ingrid van Bergen und Horst Janson der Propaganda-Film "Tunnel 28 - Escape from East Berlin", der die Flucht am Becker-Tunnel dramatisiert.

(IMDB)

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